Adlershof probt mit 5G

Technologiepark betreibt das größte Campus-Netzwerk im Umkreis von 1000 Kilometern. Firmen lernen, was man mit Echtzeit-Netz tun kann.

Berlin. Niemand muss mehr losfahren, um sich die Fabrikhalle anzusehen und zu diskutieren, wie wohl die Maschinen sich am besten positionieren lassen. Solche Treffen werden ebenso wie Meetings von Bauplanern zunehmend in die virtuelle Welt verlegt. Avatare bewegen sich als Alter Ego der Techniker oder Architekten durch den künstlichen Raum.

Möglich macht diese Art der virtuellen Zusammenarbeit das superschnelle Internet der fünften Generation, 5G. Was einzelne Mobilfunkanbieter Privatleuten aber unter diesem Label anbieten, hat nur wenig mit dem zu tun, was Technologieprofis künftig benötigen. Um den Umgang mit 5G zu erproben, hat Berlins führender Technologiepark in Adlershof nun das leistungsstärkste Campus-Netzwerk im Umkreis von 1000 Kilometern aufgespannt, wie Projektleiter Lukas Becker nicht ohne Stolz berichtet.

Im Technologiepark in Adlershof wurde das leistungsstärkste Campus-Netzwerk im Umkreis von 1000 Kilometern aufgespannt, berichtet Projektleiter Lukas Becker. Jenny Orantek vom der Adlershofer Technologieunternhemen X-Visual koordiniert das Netzwerk MR4B, in dem Unternehmen, Institute und Universitäten erfahrbare Mixed-Reality-Anwendungen entwickeln. Foto: Jörg Krauthöfer / FUNKE Foto Services

Auf einem Quadratkilometer Campus ist das 5G-Netz draußen und drinnen verfügbar
Über einem Quadratkilometer auf dem Campusgelände um die Rudower Chaussee ist 5G jetzt verfügbar. Zunächst lief es nur draußen, inzwischen sind auch zahlreiche Innenräume mit den speziellen Routern ausgestattet. Ein Vorteil der Technik ist auch, dass nicht alle Gebäude mit Glasfaserkabeln angeschlossen werden müssen.

Der Hauptsendemast steht auf dem Achtgeschosser des Instituts für Softwaretechnologie des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) an der nahen Albert-Einstein-Straße. Im Forum Adlershof hat die landeseigene Park-Betreiberfirma Wista einen Show-Room eingerichtet, wo Anwendungen präsentiert und ausprobiert werden können.Mit Spezial-Brillen lassen sich im Show-Room computergenerierte Welten erkunden
Dort lässt sich mit Hilfe verschiedener Virtual-Reality-Brillen in digitale Paralleluniversen eintreten wie etwa in das Metaverse, das der Facebook-Konzern Meta mit enormem finanziellen Aufwand entwickelt. Näher an der praktischen Nutzung sind die virtuellen Fabrikhallen, in denen man Anlagen per Knopfdruck hin- und herschieben kann. Viele Produkte kommen aus dem Computerspielbereich und werden nun in den industriellen Bereich transformiert.

Es sei möglich, auf diesem einen Quadratkilometer des 5G-Campus bis zu einer Million Sensoren ins System zu integrieren, berichtet Becker. Als Einsatzmöglichkeit fällt sofort das autonome Fahren ins Auge. Noch funktioniere der Datentransfer dabei mit einer Zeitverzögerung von 50 bis 70 Millisekunden. Mit 5G würden Daten in nur drei Millisekunden transportiert. „Schneller als ein Wimpernschlag“, sagt Becker. Zehn Gigabite Daten könnten pro Sekunde ohne Kabel übertragen werden. Studierende hätten im Showroom etwa schon mal ermittelt, wie viel langsamer ein selbstfahrendes Auto unter 4G zum Stehen kommt als unter 5G

Mit der VR-Brille durch die virtuelle Anlage laufen, ohne Vor Ort sein zu müssen. Im Hintergrund sieht man eine virtuelle Produktionshalle, durch die man laufen kann. Foto: Jörg Krauthöfer / FUNKE Foto Services

Mit dem 5G-Campus-Netz erklimmt der Standort Adlershof die nächste Ebene
Zwei Millionen Euro hat die Wista investiert, um ansässigen Firmen und Instituten die Chance zu geben, mit 5G Erfahrungen zu sammeln und den Standort auf die nächste Ebene zu heben. Dazu gehört auch die Erkenntnis, dass viele Geschäftsmodelle auch ohne so ein Echtzeit-Netz funktionieren. „Für E-Mails und Netflix braucht man kein 5G“, sagt Becker. Und auch große Datenmengen, bei deren Übertragung es nicht auf Echtzeit ankomme, könne man besser über ein herkömmliches Glasfaserkabel verschicken. „Wir bieten hier einen Baukasten, aus dem man sich bedienen kann“, sagt Becker, „5G ist ein Baustein.“

Es werde beim Campus-Netz auch darum gehen zu lernen, für wen es Sinn mache, 5G aufzubauen, sagt Jenny Orantek. Sie arbeitet für die Adlershofer Software-Firma X-Visual, die Betreibersoftware für Industrie- und andere technische Anlagen herstellt. Zudem koordiniert Orantek das vom Wirtschaftsministerium für Bildung und Forschung geförderte Netzwerk MR4B, in dem Unternehmen, Institute und Universitäten verbunden sind und in gemeinsamen Forschungsprojekten erlebbare MR-Anwendungen für Industrie und Handwerk entwickeln.

Vor allem Mittelständler und Handwerker sollen die Möglichkeiten von 5G erproben
Die Abkürzung steht für „Mixed Reality for Business“. Es geht darum, Künstliche Intelligenz und Systeme geschäftlich nutzbar zu machen, die computererzeugte Umgebungen mit der natürlichen Wahrnehmung des Nutzers verbinden. Das Netzwerk konzentriere sich weniger auf Konzerne, sondern auf Mittelständler und Handwerker aus der Region, sagt die Koordinatorin. Großunternehmen könnten an ihren Standorten eigene 5G-Netze aufbauen und täten das auch.

In Adlershof will man es hingegen den Kleinen ermöglichen, vorbereitet zu sein, wenn Kunden sagen, sie hätten ein solches Netz und fragten, wie denn die Applikationen der Lieferanten in 5G-Bedingungen liefen. Denn viele Praxisanwendungen dürften sich auf Reparatur und Wartung von Maschinen beziehen. Auch in sensiblen Labors und Reinräumen, wo möglichst wenig Menschen hinein sollten, eigne sich 5G als Grundlage für die Steuerung von Robotern.

Zwei Millionen Euro hat die Wista investiert, um Firmen und Instituten im Adlershofer Technologie- und Wissenschaftspark die Chance zu geben, mit 5G Erfahrungen zu sammeln. Foto: dpa Picture-Alliance / Soeren Stache

Ziel ist ein Kompetenzzentrum für Virtual Reality und künstliche Intelligenz in der Region
„Wir müssen den Mittelständlern den Mehrwert verdeutlichen“, sagt Jenny Orantek. In den nächsten Jahren soll aus dem Netzwerk ein Kompetenzzentrum für Virtual Reality, Augmented Reality – dabei kombinieren sich virtuelle und reale Elemente in einer Umgebung – sowie künstlicher Intelligenz entstehen.

Auch für Handwerksbetriebe könne es sinnvoll sein, sich mit den Möglichkeiten von 5G zu befassen, sagt Wista-Projektmanager Becker. Erste Unternehmen täten das schon, vor allem Elektrofachbetriebe, die etwa Schaltkästen auf virtuellem Weg warten möchten. Die Anwendung solcher moderner Technologien könnte ein Argument sein, um Nachwuchs zu gewinnen und das Handwerk insgesamt attraktiver für ambitionierte junge Leute zu machen.

Insgesamt würden die Anwendungsbereiche für 5G in den nächsten Jahren zunehmen, glauben die Experten in Adlershof. Denn jeder Roboter bestehe aus Sensoren, erzeuge immer mehr Daten. „5G Beschleunigt die Verfügbarkeit von neuen Technologien“, sagt Jenny Orantek.

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